Samstag, 8. Februar 2020

library of exile


Wie versprochen sahen wir uns die „library of exile“ an. Wir stiefelten ins Japanische Palais, dieses etwas stiefmütterlich behandelte Haus in Dresden. Emme spielte noch als Kind, entgegen mütterlicher Warnungen, in dessen Ruinen.
Um zum (Bücher-) Schatz zu gelangen, muß man an einem anderen Schatz vorbeigehen. Er besteht aus 18 Tellern aus Meißner Porzellan, gefertigt um 1760.


Sie haben eine bewegte und bewegende Geschichte. Gesammelt wurden sie von von Gustav von Klemperer, (eigentlich Gustav Klemperer, Edler von Klemenau). Sie wurden vererbt an seine Kinder, geraubt von den Nazis, auf Hitlers Geheiß der Dresdner Porzellansammlung zugeschlagen, evakuiert, und in Lastwagen gebracht, der am 13. Februar dem Bombenhagel zum Opfer fiel. (Und eine Legende erzählt, das dabei auch die „Steinklopfer“ von Courbet verbrannten.) Aus den Trümmern zusammengestoppelt, landeten die Teller und Scherben wieder in der Porzellansammlung und wurden erst 2011 an die Familie von Klemperer restituiert. Edmund de Waal erwarb die Teller auf einer Auktion. Er beschloß, daß man die Scherben nicht einfach kitten sollte, und bat die Japanerin Maiko Tsutsumi, die Teller mit der Kintsugi-Technik zu reparieren.


Soweit die Geschichte. Aber was für Porzellan fanden wir? Ein wunderbares Dekor und eine sensationell glänzende Glasur! Länger als 15 Minuten sollte man das Porzellan nicht betrachten, denn es weckt Begehrlichkeiten. (Und wir verstehen nicht, daß die Meißner Porzellanmanufaktur immer noch rote Zahlen schreibt, wenn dort so schöne Sachen produziert werden könnten.) Für so ein Service -oder für so einen Teller- würde Emme nicht nur ein großes, sondern ein richtiges Vermögen ausgeben.
Die Bruch- und Fehlstellen sind durch die Goldlacktechnik sichtbar, sie erzählen die Geschichte dieser feinen Stücke weiter und machen sie wertvoller.


Emme ist ja der Ansicht, daß in Dresden schon viel zu viel auf Hochglanz saniert wurde, als ob nie etwas gewesen wäre. Aber mit dieser Meinung eckt sie öfter an. Da tut es gut, wenn auch andere das so sehen.



Die „library of exile“ ist eine begehbare Kunstinstallation. Eine große weiße Kiste, die mit Porzellangießmasse überzogen wurde. Darauf hat Edmund de Waal Namen von Bibliotheken geschrieben, die zerstört wurden. Wir haben einige gefunden, die wir kennen.


Innen ist alles weiß. Vier Vitrinen mit Gefäßen tragen den Titel „Psalm“. Die Anordnung orientiert sich an der im 16. Jahrhundert gedruckten Ausgabe des Babylonischen Talmud.


Daneben gibt es gibt Regale, in denen nach Land geordnet, die Bücher stehen. Von Autoren, die aus den verschiedensten Gründen ihr Land verlassen mußten. Die teilweise sogar ihre Sprache wechselten. Deutsche Literatur nimmt einen großen Raum ein und ein Liebhaber von Walter Benjamin hat eine riesige Werkauswahl hineingestellt. Man findet aber genauso Erich Kästner, Thomas Mann und Erich Maria Remarque.



Spannend wurde es bei Exilliteratur anderer Länder. Viele Bücher und Autoren kennen wir überhaupt nicht! So viele Anregungen! So viel zu lesen!



Natürlich darf bei einer Installation von Edmund de Waal ein Hasenbuch nicht fehlen:



Man kann sich hinsetzen und lesen, sich in ein Exlibris eintragen, im folgenden Lesesaal selber ein Exlibris drucken und in ein dickes Buch seine eigene Flucht/ Exil/ Aus- und Einwanderergeschichte schreiben. Viele alte Einwohner Dresdens sind ja Flüchtlinge, da stehen sehr bittere Erlebnisse neben recht optimistischen. Dresdner verhalten sich gegenüber neuen Leuten immer erst mal abwartend. Bei Emme dauerte es nur acht Jahre, bis sie im Viertel gegrüßt wurde.
Etwas enttäuschend fanden wir die ergänzende Stoffinstallation von Zuzanna Janin. Die hatten wir uns fantasievoller, geheimnisvoller und irgendwie …voller vorgestellt.
Am Ende darf man noch einmal in den Brunnen schauen, eine Installation von Mark Justiniani , die schon auf der Kinderbiennale stand. So konnten wir noch einmal ohne Lärm und tobende Kinder in den Abgrund schauen. Und wenn man es anders sieht, in die Unendlichkeit.


Die Ausstellung ist noch bis zum 16. Februar geöffnet. Eintritt frei!

Hingehen!
Euer Hase

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