Wie versprochen sahen wir uns die „library of exile“ an. Wir
stiefelten ins Japanische Palais, dieses etwas stiefmütterlich
behandelte Haus in Dresden. Emme spielte noch als Kind, entgegen
mütterlicher Warnungen, in dessen Ruinen.
Um
zum (Bücher-) Schatz zu gelangen, muß man an einem anderen Schatz
vorbeigehen. Er besteht aus 18 Tellern
aus Meißner Porzellan, gefertigt um 1760.
Sie haben eine bewegte und
bewegende Geschichte. Gesammelt wurden sie von von Gustav von Klemperer,
(eigentlich Gustav Klemperer, Edler von Klemenau). Sie wurden vererbt an
seine Kinder, geraubt von den Nazis, auf Hitlers Geheiß der Dresdner
Porzellansammlung zugeschlagen, evakuiert, und in Lastwagen gebracht,
der am 13. Februar dem Bombenhagel zum Opfer fiel. (Und eine Legende
erzählt, das dabei auch die „Steinklopfer“ von Courbet verbrannten.)
Aus den Trümmern zusammengestoppelt, landeten die Teller und
Scherben wieder in der Porzellansammlung und wurden erst 2011 an die
Familie von Klemperer restituiert. Edmund de Waal erwarb die Teller
auf einer Auktion. Er beschloß, daß man die Scherben nicht einfach
kitten sollte, und bat die Japanerin Maiko Tsutsumi,
die Teller mit der Kintsugi-Technik zu reparieren.
Soweit
die Geschichte. Aber was für Porzellan fanden wir? Ein wunderbares
Dekor und eine sensationell glänzende Glasur! Länger als 15 Minuten
sollte man das Porzellan nicht betrachten, denn es weckt
Begehrlichkeiten. (Und wir verstehen nicht, daß die Meißner
Porzellanmanufaktur immer noch rote Zahlen schreibt, wenn dort so
schöne Sachen produziert werden könnten.) Für so ein Service -oder
für so einen Teller- würde Emme nicht nur ein großes, sondern ein
richtiges Vermögen ausgeben.
Die
Bruch- und Fehlstellen sind durch die Goldlacktechnik sichtbar, sie
erzählen die Geschichte dieser feinen Stücke weiter und machen sie
wertvoller.
Emme ist ja der Ansicht, daß in Dresden schon viel zu
viel auf Hochglanz saniert wurde, als ob nie etwas gewesen wäre.
Aber mit dieser Meinung eckt sie öfter an. Da tut es gut, wenn auch
andere das so sehen.
Die
„library of exile“ ist eine begehbare Kunstinstallation. Eine
große weiße Kiste, die mit Porzellangießmasse überzogen wurde.
Darauf hat Edmund de Waal Namen von Bibliotheken geschrieben, die
zerstört wurden. Wir haben einige gefunden, die wir kennen.
Innen
ist alles weiß. Vier Vitrinen mit Gefäßen tragen den Titel
„Psalm“. Die Anordnung orientiert sich an der im 16. Jahrhundert
gedruckten Ausgabe des Babylonischen Talmud.
Daneben gibt es
gibt Regale, in denen nach Land geordnet, die Bücher stehen. Von
Autoren, die aus den verschiedensten Gründen ihr Land verlassen
mußten. Die teilweise sogar ihre Sprache wechselten. Deutsche
Literatur nimmt einen großen Raum ein und ein Liebhaber von Walter
Benjamin hat eine riesige Werkauswahl hineingestellt. Man findet aber
genauso Erich Kästner, Thomas Mann und Erich Maria Remarque.
Spannend wurde es bei Exilliteratur anderer Länder. Viele Bücher
und Autoren kennen wir überhaupt nicht! So viele Anregungen! So viel
zu lesen!
Natürlich
darf bei einer Installation von Edmund de Waal ein Hasenbuch nicht
fehlen:
Man
kann sich hinsetzen und lesen, sich in ein Exlibris eintragen, im
folgenden Lesesaal selber ein Exlibris drucken und in ein dickes Buch
seine eigene Flucht/ Exil/ Aus- und Einwanderergeschichte schreiben.
Viele alte Einwohner Dresdens sind ja Flüchtlinge, da stehen sehr
bittere Erlebnisse neben recht optimistischen. Dresdner verhalten sich gegenüber neuen
Leuten immer erst mal abwartend. Bei Emme dauerte es nur
acht Jahre, bis sie im Viertel gegrüßt wurde.
Etwas
enttäuschend fanden wir die ergänzende Stoffinstallation von Zuzanna Janin. Die
hatten wir uns fantasievoller, geheimnisvoller und irgendwie …voller
vorgestellt.
Am
Ende darf man noch einmal in den Brunnen schauen, eine Installation
von Mark Justiniani , die schon auf der Kinderbiennale stand. So konnten wir noch
einmal ohne Lärm und tobende Kinder in den Abgrund schauen. Und wenn
man es anders sieht, in die Unendlichkeit.
Die
Ausstellung ist noch bis zum 16. Februar geöffnet. Eintritt frei!
Hingehen!
Euer
Hase
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