Seit
ich in Emmes Leben getreten bin, liest sie Hasenbücher.
Tiergeschichten waren ja nie ganz so ihr Ding, aber mir zuliebe hat
sie sich damit beschäftigt. Dabei entdeckte Emme, daß es eine
eigene literarische Gattung und unendlich viele philosophische
Strömungen gibt, die (fast) alles auf uns Hasen projizieren. Dabei
wollen wir nur fröhlich durch die Welt hoppeln und Möhren knabbern!
Es
gibt bissige satirische Hasenliteratur, Road trips (Arto Paasilinna: Das Jahr des
Hasen), sentimentale Kinderbücher mit manchmal fragwürdigen
Grundaussagen, unseren Liebling "Der kleine Angsthase"von Elizabeth Shaw" und natürlich "Der Hase im Rausch".
Aber
egal, eines der besten, ergreifendsten und traurigsten Hasenbücher
des letzten Jahrzehnts schrieb Edmund de Waal, der eigentlich
Keramiken herstellt. In „Der Hase mit den Bernsteinaugen“ geht es
gar nicht um Hasen, sondern um Netsuke. Das sind Miniaturen, die im
alten Japan am Gürtel des Kimonos getragen wurden. Aufwändig aus
verschiedensten Materialien geschnitzt, kamen sie am Ende des 19.
Jahrhunderts nach Europa und wurden begehrte Sammlerobjekte.
Edmund
de Waal beschreibt anhand einer Netsuke-Sammlung seine
Familiengeschichte. Die kleinen Schnitzereien wechselten die Orte und
die Kontinente. Sie wechselten ihre Funktion, vom Gebrauchsgegenstand
zum Handelsobjekt, von der Salonunterhaltung zum Kinderspielzeug. Sie
wurden innerhalb der verzweigten Familie verschenkt, vererbt,
gerettet und sind am Ende das letzte Überbleibsel eines einst
riesigen Familienvermögens.
Edmund
de Waal hat jahrelang recherchiert und ist weit gereist, um die
verschlungenen Wege
der Netsuke und ihrer Besitzer nachzuvollziehen. Herausgekommen ist
ein dickes Buch, wir empfehlen uneingeschränkt: Selber lesen!
Wir
trafen Edmund de Waal auf einer Lesung in der Zentralbibliothek
Dresden. Er ist ein riesenlanger Kerl, dem man gar nicht zutraut, so
etwas Feines wie Keramik oder Porzellan herzustellen. Er las ganz
ruhig und mit englischem Humor aus seinem Buch, die deutschen Texte
las Ahmad Mesgarha von Staatsschauspiel Dresden, die Moderation
erfolgte durch Tino Dallmann von mdr kultur.
Es
war erstaunlich, wie unterschiedlich die Texte auf Deutsch und
Englisch klangen. Klar, ein Schauspieler liest anders und Spaß
machte das Zuhören auf jeden Fall. Richtige Gespräche entstanden
nicht, der Moderator stellte die Fragen, die wohl die meisten
interessierten. Fragen zur Entstehung des Buches, zur familiären
Unterstützung, zur Restitution, zu literarischen Verweisen und zur
Möglichkeit, sich bei Recherchen bis ins Unendliche zu verlieren.
Und Emme hätte natürlich -wie immer- noch tausend Fragen gehabt und
alle Beteiligten bis Mitternacht auf Trab gehalten.
Trotzdem
war das eine spannende Begegnung mit einem bescheidenen und
zurückhaltenden Autor, der eigentlich zur Ausstellungseröffnung „library of exile“ nach Dresden gekommen war.
Emme,
gehen wir dahin?
Natürlich,
Hase.
Und
wir schreiben da auch was drüber?
Aber
klar!
Und
da wir uns ja gerne in der Weltgeschichte herumtreiben, folgt nun
noch das Reiseerlebnis passend zum Thema:
Vor
einigen Jahren waren wir in London und dort im Victoria & Albert
Museum. In diesem riesigen Gebäude kann man so viel sehen, daß man
den Besuchern eine Liste der zehn wichtigsten Ausstellungsstücke
inklusive Wegbeschreibung in die Hände drückt. Als eines der
Highlights wurde dort die Besichtigung einer Installation von Edmund
de Waal angepriesen.
Leider war sie an diesem Tag nicht zugänglich, da ein Sponsorenempfang stattfand. Emme fragte die Volontärin, die im Eingangsbereich Dienst tat:
Leider war sie an diesem Tag nicht zugänglich, da ein Sponsorenempfang stattfand. Emme fragte die Volontärin, die im Eingangsbereich Dienst tat:
„Die
Installation ist von Edmund de Waal, dem Schriftsteller?“
„Nein,
sie ist von Edmund de Waal, dem Keramiker.“
„Ja,
er macht auch Keramiken. Aber er ist Schriftsteller. Er hat einen
europäischen Bestseller geschrieben!“
„Es
kann sein, daß er ein wenig schreibt. Aber er ist ein berühmter
Keramiker!“
Ja,
jeder weiß das, was er wissen will. Und dann gibt es Menschen, die
mehr als eine Sache machen können, und das auch noch richtig gut!
Viel
Spaß beim Lesen! Taschentücher bereitlegen!
Euer
Hase
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