Donnerstag, 26. Oktober 2023

Crostwitz

Ein sehr netter junger Mann lud Emme und mich ein, mit der Band zum Folklorefestival nach Crostwitz zu kommen.

Crostwitz/ Chrósćicy liegt in der Lausitz/ Łužica/ Łužyca. Hier ist zweisprachiges Gebiet, man/frau spricht sorbisch und deutsch.

Das Folklorefestival Lausitz wird von der Domowina -Bund Lausitzer Sorben- alle zwei Jahre organisiert. Es findet in verschiedenen Orten in der Lausitz statt, am Sonnabendnachmittag aber immer in Crostwitz. In den Bauernhöfen stehen große Bühnen. Es werden Tanz- und Musikgruppen aus aller Welt eingeladen. Ziel ist es auch, ethnischen Minderheiten die Möglichkeit zu geben, sich zu präsentieren.

Auf dem Weg übten wir alle ein paar Vokabeln: Danke, bitte, rechts, links. Der Bandleader wollte in seiner ersten Ansage etwas über „Kulturelle Aneignung“ sagen. Diese Worte fanden wir im Wörterbuch nicht, denn es war von 1994. Wir entdeckten nach langem Suchen noch ein entsprechendes Wort, die denkwürdige Ansage fand dann doch nicht statt…

Emme gehörte nun für einen Tag zur Band und übte sich (geringfügig) in Assistenz. Sie füllte ein paar Zettel aus, sammelte Unterschriften ein und verteilte Essenmarken. Das war lustig und sehr entspannend. Befriedigt stellte Emme fest, daß in dieser Gegend Plinsen noch Plinsen heißen und nicht Eierkuchen. (Denn echte Plinsen beinhalten Eier nur in homöopathischen Dosen.)

Nach der Tonprobe räumten die Musiker ihre Instrumente wieder weg. Es war sehr heiß und deshalb rollten wir noch in den nächsten Steinbruch zum Baden und Abkühlen.

 

Nun stürzten wir uns ins Festivalgewimmel. Am Ende fast jeder Vorstellung forderten die Tänzer das Publikum auf, gemeinsam zu tanzen. Und Emme ging auf „Industriespionage“: Wie verständigen sich Paare, die keine gemeinsame Sprache sprechen? Emme ist ja der Meinung, daß beim Tanzen vieles selbsterklärend ist. Und daß hier Leute zuschauen, die selber gerne tanzen und ein wenig geschult sind.

Die Tschechen suchten sich schwindelfreie Partner und drehten mit ihnen bis zum Umfallen.

Völlig erleichtert sah Emme zu, daß beim Polonez einiges schiefging. Eigentlich ist klar: ein Paar geht nach rechts, das nächste nach links, dann wieder rechts etc. Emme verzweifelt regelmäßig bei barocken Bällen daran, daß  mindestens ein Paar diesen Ablauf nicht auf die Reihe kriegt. Und in Crostwitz war das nicht nur ein Paar. Den polnischen Tänzern, die das vorher exzellent demonstriert hatten, klappte die Kinnlade runter…


An diesem Tag sahen wir Tänzer aus Polen, Tschechien, Estland,


Chile, Kongo

und verschiedene sorbische Ensembles.

Fast alle wurden live von Musikern begleitet. Später am Abend gab es „Dudelsack & Freunde“. Uns wurden Dudelsäcke aus verschiedenen europäischen Regionen präsentiert und erklärt. Dazu kamen Blasinstrumente wie Alphörner und die slowakische Fujara.


Diese Fujaras sind ganz, ganz spannende Instrumente. Emme fühlte sich eher an rumänische Folklore erinnert, aber wie immer: kultureller Austausch kennt keine (Staats-)Grenzen! Dazu kam noch ausdrucksvoller Gesang. Alles klang fremdartig, man mußte sich erstmal „reinhören“. Aber Emme war hin und weg. Das war super!

Alle auftretenden Gruppen zeigten hohe Qualität, aufwändige Kostüme und vor allem die osteuropäischen Ensembles viele junge Leute. Das läßt doch für die Zukunft hoffen.


Irgendwann spät, sehr spät am Abend durfte endlich die Band auftreten. Emme und ich hatten befürchtet, daß schon alle k.o. darniederliegen und niemand mehr zuhören will. Falsch gedacht! Der Hof füllte sich, die Frauen aus der Plinsenbäckerei tanzten auf den Tischen, die Stimmung war hochgradig ausgelassen und die Orga-Chefin mußte 1 Uhr nachts das Konzert ziemlich abrupt für beendet erklären.

Die Musiker packten und Emme gelang es, beim gastgebenden Bauern noch einen Sack Bio-Kartoffeln zu erwerben.


Emme, mit 10 Kilo Kartoffeln bist Du noch nie von einer Mugge gekommen!

Neee, Hase. Aber irgendwann ist immer das erste Mal!

Das war ein wunderschönes Fest! Abwechslungsreich, spannend, bunt und Neues haben wir noch nebenbei gelernt. Vielen Dank an Familie Wessela für die Gastfreundschaft! Vielen Dank an Podka und Schorsch fürs Mitnehmen in andere Welt!

Emme, fahren wir da wieder hin?

Klar, Hase. Vielleicht fahren in zwei Jahren auch Öffis am Wochenende. Oder wir laufen…

Das nächste Folklorefestival Łužica-Łužyca- Lausitz findet vom 26.06. bis 29.06 2025 statt.


Božemje!

Euer Hase

1 Kommentar:

  1. das liest sich sehr gut
    und vor allem nach Völkerverständigung
    und viel Freundlichkeit
    das tut gut in dieser Zeit
    liebe Grüße
    Rosi

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