Dienstag, 3. August 2021

Lange Museumsnacht 2021

Es scheint Menschen in Dresden zu geben, die mitdenken. Die Lange Museumsnacht wurde vor Jahren in den September verschoben, weil da der Internationale Museumstag ist. International ist ja schön und gut, aber uns fehlt die Romantik einer lauschigen Sommernacht, in der man von Museum zu Museum schlendern kann. Man kann draußen etwas essen und trinken, danach stürzt man sich ins nächste Gewühl. Emme und ich fanden das immer spannend und lustig und interessant. Das ist aber eben nicht international…

Da die Macher der Dresdner Museen durch die Ereignisse der letzten Jahre (Raub! Schließungen! Sensationsfunde!) wahrscheinlich überfordert waren, organisierte in diesem Jahr die Sächsische Zeitung die Lange Museumsnacht. In einer lauschigen Sommernacht. Uninternational.

Leider ist es tatsächlich so, daß Firmen oder Privatleute mehr auf die Beine stellen können als der öffentliche Dienst. Die Karten mußten online erworben werden und die Museumskassen blieben geschlossen. Das spart enorme Personalkosten! Emme schüttelt über solche Verhältnisse nur den Kopf.

Der Abend begann für uns im Dresdner Schloß. Wir standen auf der Englischen Treppe. Auf den Absätzen stehen Putten, die die Erdteile symbolisieren. Dort begegnete uns die erste politische Unkorrektheit:

Sie spielen Indianer! Mit nacktem Popo!! Das ist ja schlimmer als der Mohr im Grünen Gewölbe!!! Sofort abreißen!!!!

Es kam auch wieder die Frage nach dem Vornamen von Emmes Bruder auf. Der Name ist ja sowas von rassistisch! Was haben sich die Eltern vor mzig Jahren dabei gedacht?

Wahrscheinlich dachten sie an einen berühmten Sächsischen Kurfürsten, der seinem Namen auch nicht alle Ehre machte. Denn auf allen Gemälden hat er sehr helle Haut und rote Haare.

Wir betraten die Paraderäume Augusts des Starken. Ein Kurfürst, der sich zweimal zum König von Polen krönen ließ und kaiserliche Ambitionen hegte. Die Paraderäume sind seit zwei Jahren wieder zugänglich und demonstrieren Prachtentfaltung zu politischen Zwecken auf das Vortrefflichste.

Und August erscheint auf einmal nicht mehr als gemütlicher, kaffeetrinkender und kunstliebender Sachse. Er war ein Fürst, der alle Mittel nutzte, die ihm zur Verfügung standen, um Macht zu demonstrieren.

Die Wandbespannungen zeigen zu unserem Erstaunen sehr moderne Muster, hier denkt man kaum an das 18.Jahrhundert.

Natürlich sahen wir uns auch das legendäre zerbrochene Hufeisen an, das die Kraft und die Stärke Augusts des II. präsentiert.

Nach all der Pracht, die Emme eher als kalt und abweisend empfand, wollten wir was „Schönes“. Kurze Wege sind immer gut, deshalb schlenderten wir in zwei Minuten zur Porzellansammlung im Zwinger. Hier war richtig was los! Es gab Führungen zu kleinen, unbekannten Themen. Makiko Miyake spielte auf Okarinas wunderbare japanische Lieder. Wir staunten über die Schönheit und Vielfalt der Töne, die man aus diesen kleinen Instrumenten hervorlocken kann.

Während einer Führung lernten wir einiges über Japanisches Porzellan. Die Sachsen haben sich im 18. Jahrhundert null Gedanken zu Urheberrechten gemacht und kopiert, was nicht niet- und nagelfest war. (Irgendwie kommt uns das bekannt vor.) Meißner Porzellan wurde als japanisch ausgegeben, später war das andersherum. Da bekamen ausländische Stücke mittels Diamantschleifer zwei Schwerter eingekratzt. Je nachdem, wofür mehr gezahlt wurde. Also nee, so ein Beschiß!

Nr. 88 der Ru-Keramik, der Sensationsfund des letzten Jahres, ist noch nicht ausgestellt.

Da müssen wir also noch einmal hingehen!

Klar, Hase.

Wir rasteten in einem Café direkt im Zwinger. Wir saßen auf einer Balustrade und genossen die immer stärker werdende Dunkelheit und den entfernten Lärm der feierwütigen Menschen.

Zum Schluß besuchten wir noch den Herrn Weckerbären im Mathematisch-Physikalischen Salon.

Emme zeigte Fotos von ihrem Kostüm. Wir probierten nochmals aus, wie das mit Sonnenauf- und untergängen zu verschiedenen Jahreszeiten funktioniert.

Guckten uns die Chiffrier- und Vermessungsgeräte an. Und fanden die Spieluhr „Verkehrte Welt“. Die ist lustig anzuschauen und auch irgendwie völlig politisch unkorrekt:

Wir hatten einen wunderschönen Abend. Und hoffen, daß die Museumsverantwortlichen, egal ob staatlich, städtisch oder privat, ihre Museen wieder eigenständig vermarkten. Trotz guter Leistung der „Fremdfirma“, die Abgabe von Verantwortung ist ein Armutszeugnis für die hiesigen Kultureinrichtungen.

Wir wünschen Euch allen viel Spaß im Museum!

Euer Hase

2 Kommentare:

  1. Der mathematisch-physikalische Salon ist bei Dresden-Besuchen auch schon öfter unser Ziel gewesen.
    Ihr hattet einen schönen Abend - egal, von wem organisiert. Aber Du hast natürlich Recht.
    LG
    Elke

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  2. Oh wie schön, euer kleiner virtueller Rundgang. Und beneidenswert, daß Ihr binnen kurzer Zeit einige Museen aufsuchen konntet. Das Zustandekommen ist mehr als zweifelhaft, aber das Ergebnis kommt auf die andere Waagschale.
    Und vom Schreibstil des Berichterstatters bin ich begeistert.

    Herzlichst. Petruschka

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