Mittwoch, 17. August 2016

Im Juli gelesen

"Der Gärtner des Maharadschas"- Ausstellung im Schloß Pillnitz 2016


Keine Krimis im Juli, aufgrund des schönen Wetters und diverser Outdoor-Aktionen weniger Bücher, die dafür wirklich unter die Haut gehen.

Trojanow, Ilja: Nomade auf vier Kontinenten
Auf den Spuren von Sir Richard Francis Burton
Die andere Bibliothek, Eichborn Verlag 2007
Ilja Trojanow reist auf den Wegen, die Sir Richard Burton (bitte nicht verwechseln mit dem Schauspieler) vor 150 Jahren minutiös in seinen Reisebüchern beschrieb. Er besucht Indien, wandert in Afrika, pilgert nach Mekka und ganz am Ende auch in die Vereinigten Staaten. Seinen Erlebnissen stellt er die Schriften Burtons gegenüber und in den meisten Fällen hat sich kaum etwas verändert. (Ich bin ja auch vor vier Jahren auf dem gleichen Weg wie René Caillié nach Timbuktu gereist. Der informative Reiseführer von Bradt wäre nicht nötig gewesen, der Reisebericht von 1828 hätte es auch getan.)
Ein Buch für Reiselustige. Wunderbar gestaltet mit Goldschnitt und zwei Lesebändchen. Da wird das Reisen in der heimischen Leseecke zum Genuß.

Krien, Daniela: Muldental
Graf 2014
Kurze Erzählungen über (ostdeutsche) Menschen auf der Suche nach Glück in den Neunziger Jahren. Berührende Geschichten: Alles ist neu und anders, die einen suchen nach Orientierung, andere werden beleidigt, die nächsten merken nicht einmal, das sich etwas verändert hat. Die einen geben der Versuchung nach, andere widerstehen. Manche kämpfen ums nackte Überleben.
Daß sich der Graf-Verlag nicht im Muldental befindet, merkt man am Lektorat. Zweimal liest man im Buch “Wägen” als Plural von “Wagen”. Das darf man laut Duden im süddeutschen Raum auch schreiben, aber bayrisch wird meines Wissens nach im Muldental (noch) nicht gesprochen…

Seiler, Lutz: Kruso
Suhrkamp 2014
Edgar arbeitet 1989 als Saisonkraft in einem Restaurant auf Hiddensee. Dort lernt er Alexander Krusowitsch, genannt Kruso, kennen, Vor allem in diesem Sommer sind viele Aussteiger unterwegs, um der Enge des Festlandes zu entfliehen und/oder um die Flucht über die Ostsee zu wagen. Kruso will ihnen einen Weg zur Inneren Freiheit eröffnen, um sie von “Dummheiten” abzuhalten. Aber wie im gesamten Land bricht alles erst langsam und dann schneller zusammen, Menschen verschwinden, der Personaltisch wird immer leerer und zum Schluß funktioniert nicht einmal mehr das Radio.
Der Epilog gehört eigentlich nicht mehr zum Roman. Aber dieser Text mußte mal geschrieben werden. Auf dänischen Gemeindefriedhöfen liegen 148 Tote aus der Ostsee, die nie identifiziert werden konnten. Und die höchstwahrscheinlich in der Mehrzahl DDR-Flüchtlinge sind. Niemand fragt nach ihnen. Gibt es keine Familien und Freunde, die jemanden vermissen? Diejenigen, die eine Flucht übers Meer in Erwägung gezogen haben, wußten, daß sie sich in Lebensgefahr begeben. Sie müssen schon sehr verzweifelt gewesen sein. Eine traurige Geschichte.

Ortheil, Hanns-Josef: Der Stift und das Papier
Luchterhand 2015
Der kleine Hanns-Josef war fast stumm, konnte kaum lesen und schreiben und sollte deshalb in eine Behindertenschule wechseln.
Seine Eltern erfanden für ihn eine Schreibschule, in der das Kind für sich die Schrift, die Worte, Bezeichnungen und Texte erobern konnte. Er wurde “Das Kind, das schreibt”. Getragen von der Liebe seiner Eltern und ihrem bedingungslosen Glauben an seine Fähigkeiten wächst der Junge zu einem Erwachsenen heran, der als Pianist und Schriftsteller bestehen kann.
Mich hat dieses Buch tief berührt und ich habe viel darüber gelernt, wie man auch lernen kann, daß man beim Gondelfahren schreiben kann und daß Fußballspiele gar nicht so langweilig sind.

Euch allen viel Spaß bei Eurer Sommerlektüre!
Eure Emme

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