Reisen mit Vollsperrung

Wenn man von Sachsen nach Thüringen und dann nach Sachsen-Anhalt mit der Bahn reisen will, kommt man nicht um den Hauptbahnhof in Halle/Saale herum. Es sei denn, er fällt am ersten Adventswochenende einer Vollsperrung zum Opfer.

Es gibt noch zwei Ausweichstrecken, aber da stimmen die Anschlüsse nicht. Und die Aussicht, sich von der Mitte Thüringens nach Nordhausen durchzuschlagen, um mit der Harzquerbahn vier Stunden durch die Gegend zu zuckeln, ist ebenso abschreckend.

Deshalb reisten wir auf Umwegen und dem Schienenersatzverkehr, was trotz erhöhtem Zeitaufwandes auch irgendwie spannend war.

Es begann mit der Strecke Weimar-Naumburg, der Zug war nicht so voll. Die Wartezeit in Naumburg reichte nicht, um zum Dom zu spurten, deshalb fotografierte Emme die Straßenbahn am Bahnhofsvorplatz. 

Was für die einen wie ein Oldtimer-Treffen aussieht, ist hier Linienverkehr. Tip für Straßenbahnliebhaber: Nix wie hin!

Emme, waren wir schon mal hier?

Klar, Hase. Es hat so sehr geregnet, daß ich im Vorraum des Domes die nassen Socken gewechselt habe. Und alle haben mich so komisch angeguckt…

Mit dem nächsten Bummelzug ging es weiter nach Merseburg. Das haben wir seit unserer Deutschland-Querwanderung als sehr angenehm in Erinnerung. Hier war kaum Zeit, wir rannten zum Bahnhofsvorplatz, um in den Schienenersatzverkehr umzusteigen. Bei dieser Busfahrt gab es einiges zum Staunen:

Wir fuhren durch Schkopau. Wer erinnert sich noch daran?

Bildquelle

Rechts der autobahnähnlichen Bundesstraße prangte das 4-Sterne-Schloßhotel Schkopau, links gabs schicke Industriekomplexe. Das Kulturhaus liegt verlassen da, die ersten Bäume wachsen aus den Fenstern.

Dann gings durch Ammendorf, rein nach Halle/Saale. Am Krankenhaus „Bergmannstrost“ vorbei, ein riesiger Komplex aus alten und neuen Gebäuden. Schwuppdiwupp, wir kamen am vollgesperrten Hauptbahnhof an. Die Busse fuhren vor

und mit dem Megaphon wurden die Fahrziele ausgerufen.

Mal lauter, mal leiser, hunderte Menschlein irrten mal hierhin und mal dahin, aber wunderbarerweise fand jeder eine Weiterreisemöglichkeit.

Wir fuhren mit dem Bus nach Wallwitz. Obwohl Emme sechs Jahre in Sachsen-Anhalt lebte, kannte sie diesen Ort überhaupt nicht.

Das war die Reiseroute: raus aus der Innenstadt, auf die alte B6. Durch Halle- Trotha, vorbei am Nordbad. Dort campte Emme in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts gemeinsam mit den Schauspielstudenten der Theaterhochschule und ein paar Musikstudenten der Hochschule für Musik in Leipzig. Abends führten sie auf der Peißnitzinsel im Rahmen des Studenten-Theatersommers „Der Selbstmörder“ von Nikolai Erdman auf. Das war eine sehr coole Gemeinschaftsproduktion der Leipziger Kunstschulen und hat riesigen Spaß gemacht.

Der Bus rollte weiter auf der Straße, die früher in den Harz geführt hat und jetzt von der Autobahn entlastet wird. Hinter Grube Ferdinande bog der Bus ab und wir erreichten Wallwitz, das tatsächlich existiert.

Es ist ein Ortsteil von Petersberg, da hoch wollte Emme schon immer mal stiefeln.

Emme, fahren wir da mal hin?

Bestimmt, Hase. Bei Gelegenheit.

Jetzt war es schon fast dunkel, aber wir stürzten zu zwei Zügen, einer fuhr nach Goslar, der andere nach Eisleben. Warum die am gleichen Bahnsteig standen war unklar, aber Emme machte sich nach dieser wohlorganisierten Odyssee gar keine Gedanken mehr.

Die Fahrt mit dem Schienenersatzverkehr dauerte nur eine Stunde länger als ohne Vollsperrung des Hallenser Bahnhofs. Emme konnte in Erinnerungen schwelgen, wir planen neue Reiseziele und angekommen sind wir auch noch: Was kann man mehr erwarten?

Angekommen!

Hoffentlich ist bei Euch nichts gesperrt! Aber wenn: Genießt das Bummeln!

Euer Hase