Dienstag, 3. Mai 2016

Im April gelesen



Munter las ich mich im April quer durchs Buchregal von Unterhaltungsliteratur bis ernsthafter Recherche: 

Morley, Christopher: Das Haus der vergessenen Bücher
Hoffmann & Campe, 2014 (Deutsche Erstausgabe)

Die Originalausgabe erfolgte 1919 im Verlag Grosset & Dunlap, New York. Leider erschien dieses Büchlein in Deutschland 100 Jahre zu spät.
Der 1. Weltkrieg (“ die große Katastrophe”) ist gerade vorbei und Präsident W. Wilson begibt sich zu Friedensgesprächen nach Europa. In Brooklyn spuken im Buchantiquariat “Parnasse” die Geister der Weltliteratur und treiben sich in den unzähligen Gassen von Bücherregalen herum. Roger Mifflin ist Buchhändler aus Leidenschaft und bekämpft tapfer die schwere Erkrankung der geistigen Unterernährung. Er empfielt Bücher, schreibt lange Briefe und träumt von der öffentlichen Anerkennung seines Berufsstandes. Plötzlich gerät er völlig unschuldig in eine haarsträubende Spionageaffäre…
Empfehlung: Unbedingt lessen! Und beantwortet Euch selbst die Frage: Wieviel Dynamit kann ein Buch enthalten?

Krieger, Martin: Kaffee- Geschichte eines Genußmittels
Böhlau-Verlag 2011

Martin Krieger hat aufwändig recherchiert: Wo kommt der Kaffee wirklich her? Welche Bohnen gedeihen wie und wo am besten? Welche Handelswege wurden früher und werden heute benutzt?
Spannend wird es am Ende, denn der Autor schreibt auch über die Kaffeekrise der 70er Jahre. In der DDR wurde daraufhin Ersatzkaffee eingeführt, der fast zu einem Volksaufstand geführt hätte…
Und die Geschichte der heute weltumspannenden Kaffeehausketten wie Starbucks und Nero ist wirklich interessant.

Hinrichs, Ernst: Fürsten und Mächte- Zum Problem des europäischen Absolutismus
Vandenhoek & Ruprecht, 2000

Ein wissenschaftliches Buch zum “europäischen Prozeß der Staatsbildung”.

Ausführlich geht der Autor auf die Entwicklung Frankreichs ein und erklärt dann die Abweichungen und Besonderheiten anderer Länder. Letztendlich stellt er die Bezeichnung “Absolutismus” in Frage. Zumindest so, wie er im herkömmlichen Sinne im Geschichtsunterricht benutzt wird.

Und er beleuchtet Aspekte, die von der Geschichtsforschung bisher vernachlässigt wurden: Finanzen und die Frage, ob Repräsentation mehr innen- oder außenpolitische Zwecke erfüllte.
Was kann der Politiker von heute aus diesem Buch lernen? –Ein stehendes Heer und Krieg führt unweigerlich zur nicht wiedergutzumachenden Staatsverschuldung.

Görtz, Sven: Die Prophezeihung von Bad Löwenau
emons 2014

Rubin (Kommissar) und Bernstein (Journalist) ermitteln im Mordfall eines Wirtes einer Ausflugsgaststätte. Bis ein ewig bekiffter und betrunkener Berufsjugendlicher eine kryptische mittelalterliche Prophezeihung ins Spiel bringt. Die Bürgermeisterin wittert Morgenluft, denn mit Prophezeihung kann sie den Tourismus im Städtchen ankurbeln. Ein zweiter Mord kommt dazu und eine Massenhysterie inklusive Menschenjagd wird ausgelöst.
Bernstein und Rubin lösen den Fall, der sich schlicht und einfach als Eifersuchtsdrama mit Erpressung herausstellt.
Witzige Dialoge und lustige Typen beleben das Buch: die vom Ehrgeiz zerfressene Bürgermeisterin, der ewiges Glück predigende Psychotherapeut und der cholerische Zeitungsherausgeber.
Am Ende sitzen alle fröhlich zechend beim Italiener am Marktpatz, der Hund bekommt einen Knochen und Bernstein besucht endlich die schöne Apothekerin.

Friedmann, Alexandra: Besserland
Graf Verlag 2014

Urkomisch. Die Familien Grosmann (mit zwei Söhnen) und Familie Friedmann (mit Tochter Alexandra und Plüscheisbär Mischka) emigrieren aus Weißrußland nach Besserland. Sie tricksen die sowjetische Bürokratie aus, nutzen New Yorker “Familienvermittler” und fahren auf abenteuerlichen Wegen nach Wien. Hier wollen sie, statt nach Israel weiterzureisen, nach Westen abbiegen, um nach Amerika zu gelangen. Aber Josip, das Schlitzohr, erzählt ihnen, daß in Deutschland jede Familie eine 4-Zimmer-Wohnung erhalten wird. Diese Auskunft und viel Wodka veranlassen die Familienväter, ihre Reise um ein paar tausend Kilometer zu verkürzen. Alle stranden als Vorläufer der “Kontingent-Juden” im Sommer 1989 in Krefeld.
Viel Glück und geniale Helfer schaffen das Wunder: am Ende des Jahres 1990 sitzen Oma väterlicherseits, Oma und Opa mütterlicherseits, Familie Friedmann, zwei Tanten mit je vierköpfiger Familie, die verrückte Tante Rosa und Familie Krämer an einem Tisch,  feiern ins neue Jahr und trinken auf das neue Leben in Besserland.
Man könnte sich bei der Lektüre pausenlos schlapplachen, wenn die Hintergründe nicht so traurig wären. Denn was haben wir im vergangenen Sommer gehört? “Jeder, der nach Deutschland kommt, bekommt 2000 Euro.” “Jeder, der nach Deutschland kommt, bekommt ein Haus und einen Mercedes.”
Na ja, aufs Haus verzichte ich gern. Hier fließt ja alle elf Jahre ein Jahrhunderthochwasser vorbei. Auf den Mercedes würde ich auch verzichten, ich nehme dann lieber den BMW.

Arendt, Judith: Unschuldslamm
Ullstein 2014

Ruth Holländer ist zur Schöffin berufen worden und wird bei einem Mordprozeß eingesetzt. Sie glaubt nicht an die Schuld des Kurden Aras, der seine Schwester Derya aus religiösen Gründen umgebracht haben soll.
Nach gefühlten zwei Seiten weiß der Leser, wer der wahre Mörder ist und daß das Buch mit dem Beginn einer Romanze enden wird. Wenn man mal nicht nachdenken will: ein einfacher Krimi, einfach zu lesen.

Sylvester, Christine: Neue Meister, alte Sünden
Bild und Heimat, 2015

Ein sympathischer Dresden-Krimi, sogar unser Stadtteil ist Schauplatz einer Szene.
Tjelle Kökkenmöddinger, ein zugewanderter Däne, ist Doktor der Philosophie und fährt Taxi in Dresden. Er will nicht weiter als gut essen, mit seinen Fahrgästen über Gott und die Welt plaudern und mit Jelena zusammensein. Aber er gerät in ein Abenteuer mit toten Journalisten, gefälschten Gemälden und einer Bande, die Botoxspritzen als Waffen benutzt.
Leider gibt es einige Ungereimtheiten:
Seit wann werden Gemälde von unschätzbarem Wert im Taxi tranportiert? Dafür gibt es Firmen, die auf Kunsttransporte spezialisiert sind.
Das Ende der Botoxbande ist unausgegoren.
Wer ist der Tote? Zumindest diese Frage sollte am Ende eines Krimis geklärt sein.

Hinrichs, Annette: Die Fünfte Jahreszeit
Leda-Verlag, 2012

Nix Fasching oder Karneval. Ein Hamburg-Krimi, der sich um eine Krimiautorin und ihre Krimis dreht.
Weitere Zutaten sind: eine junge Kommissarin, die sich in den Fall “wie ein Terrier” verbeißt, eine verschwiegene Schuld und eine gehörige Portion Rache. Spannend wird es auch, aber leider nicht bis zum Schluß.
Am besten gefällt mir die Figur des Großvaters der Kommissarin. Der alte Seebär hilft mit Thermoskannen voll Kaffee, alten Beziehungen, neuem Laptop und gesundem Menschenverstand.

Batthyany, Sacha: UND WAS HAT DAS MIT MIR ZU TUN?
                              Ein Verbrechen im März 1945
                              Die Geschichte meiner Familie
Kiepenheuer & Witsch, 2016

Bestimmen alte Familienereignisse unser heutiges Leben? Sollen wir dieses “Erbe” bewahren? Oder lieber vergraben? Sacha Batthyany machte sich mehrere Jahre lang auf die Suche nach der wahren Geschichte seiner Familie. Er war in ganz Europa und in Südamerika. Er fand erschütternde Schicksale und überall uneingestandene und verdrängte Schuld. Für uns alle stellt er sich die Frage: “Hättest Du Juden versteckt?” Und er beweist Mut, indem er sie ehrlich beantwortet.
Ja, Herr Biller, das hat mit uns allen zu tun.

Halten wir uns an die Empfehlung von oben: Lesen statt Putzen!
Eure Emme

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