Munter las ich mich im April quer durchs Buchregal
von Unterhaltungsliteratur bis ernsthafter Recherche:
Morley, Christopher: Das Haus der vergessenen Bücher
Morley, Christopher: Das Haus der vergessenen Bücher
Hoffmann & Campe, 2014 (Deutsche Erstausgabe)
Die Originalausgabe erfolgte 1919 im Verlag Grosset
& Dunlap, New York. Leider erschien dieses Büchlein in Deutschland 100
Jahre zu spät.
Der 1. Weltkrieg (“ die große Katastrophe”) ist
gerade vorbei und Präsident W. Wilson begibt sich zu Friedensgesprächen nach
Europa. In Brooklyn spuken im Buchantiquariat “Parnasse” die Geister der
Weltliteratur und treiben sich in den unzähligen Gassen von Bücherregalen
herum. Roger Mifflin ist Buchhändler aus Leidenschaft und bekämpft tapfer die
schwere Erkrankung der geistigen Unterernährung. Er empfielt Bücher, schreibt
lange Briefe und träumt von der öffentlichen Anerkennung seines Berufsstandes.
Plötzlich gerät er völlig unschuldig in eine haarsträubende Spionageaffäre…
Empfehlung: Unbedingt lessen! Und beantwortet Euch
selbst die Frage: Wieviel Dynamit kann ein Buch enthalten?
Krieger, Martin: Kaffee- Geschichte eines
Genußmittels
Böhlau-Verlag 2011
Martin Krieger hat aufwändig recherchiert: Wo kommt
der Kaffee wirklich her? Welche Bohnen gedeihen wie und wo am besten? Welche
Handelswege wurden früher und werden heute benutzt?
Spannend wird es am Ende, denn der Autor schreibt
auch über die Kaffeekrise der 70er Jahre. In der DDR wurde daraufhin
Ersatzkaffee eingeführt, der fast zu einem Volksaufstand geführt hätte…
Und die Geschichte der heute weltumspannenden
Kaffeehausketten wie Starbucks und Nero ist wirklich interessant.
Hinrichs, Ernst: Fürsten und Mächte- Zum Problem des europäischen
Absolutismus
Vandenhoek & Ruprecht, 2000
Ein wissenschaftliches Buch zum “europäischen Prozeß der Staatsbildung”.
Ein wissenschaftliches Buch zum “europäischen Prozeß der Staatsbildung”.
Ausführlich geht der Autor auf die Entwicklung
Frankreichs ein und erklärt dann die Abweichungen und Besonderheiten anderer
Länder. Letztendlich stellt er die Bezeichnung “Absolutismus” in Frage.
Zumindest so, wie er im herkömmlichen Sinne im Geschichtsunterricht benutzt
wird.
Und er beleuchtet Aspekte, die von der
Geschichtsforschung bisher vernachlässigt wurden: Finanzen und die Frage, ob
Repräsentation mehr innen- oder außenpolitische Zwecke erfüllte.
Was kann der Politiker von heute aus diesem Buch
lernen? –Ein stehendes Heer und Krieg führt unweigerlich zur nicht
wiedergutzumachenden Staatsverschuldung.
Görtz, Sven: Die Prophezeihung von Bad Löwenau
emons 2014
Rubin (Kommissar) und Bernstein (Journalist)
ermitteln im Mordfall eines Wirtes einer Ausflugsgaststätte. Bis ein ewig
bekiffter und betrunkener Berufsjugendlicher eine
kryptische mittelalterliche Prophezeihung ins Spiel bringt. Die Bürgermeisterin
wittert Morgenluft, denn mit Prophezeihung kann sie den Tourismus im Städtchen
ankurbeln. Ein zweiter Mord kommt dazu und eine Massenhysterie inklusive
Menschenjagd wird ausgelöst.
Bernstein und Rubin lösen den Fall, der sich
schlicht und einfach als Eifersuchtsdrama mit Erpressung herausstellt.
Witzige Dialoge und lustige Typen beleben das Buch:
die vom Ehrgeiz zerfressene Bürgermeisterin, der ewiges Glück predigende
Psychotherapeut und der cholerische Zeitungsherausgeber.
Am Ende sitzen alle fröhlich zechend beim Italiener
am Marktpatz, der Hund bekommt einen Knochen und Bernstein besucht endlich die
schöne Apothekerin.
Friedmann, Alexandra: Besserland
Graf Verlag 2014
Urkomisch. Die Familien Grosmann (mit zwei Söhnen)
und Familie Friedmann (mit Tochter Alexandra und Plüscheisbär Mischka)
emigrieren aus Weißrußland nach Besserland. Sie tricksen die sowjetische
Bürokratie aus, nutzen New Yorker “Familienvermittler” und fahren auf
abenteuerlichen Wegen nach Wien. Hier wollen sie, statt nach Israel
weiterzureisen, nach Westen abbiegen, um nach Amerika zu gelangen. Aber Josip,
das Schlitzohr, erzählt ihnen, daß in Deutschland jede Familie eine
4-Zimmer-Wohnung erhalten wird. Diese Auskunft und viel Wodka veranlassen die
Familienväter, ihre Reise um ein paar tausend Kilometer zu verkürzen. Alle
stranden als Vorläufer der “Kontingent-Juden” im Sommer 1989 in Krefeld.
Viel Glück und geniale Helfer schaffen das Wunder:
am Ende des Jahres 1990 sitzen Oma väterlicherseits, Oma und Opa
mütterlicherseits, Familie Friedmann, zwei Tanten mit je vierköpfiger Familie,
die verrückte Tante Rosa und Familie Krämer an einem Tisch, feiern ins neue Jahr und trinken auf das neue
Leben in Besserland.
Man könnte sich bei der Lektüre pausenlos
schlapplachen, wenn die Hintergründe nicht so traurig wären. Denn was haben wir
im vergangenen Sommer gehört? “Jeder, der nach Deutschland kommt, bekommt 2000
Euro.” “Jeder, der nach Deutschland kommt, bekommt ein Haus und einen
Mercedes.”
Na ja, aufs Haus verzichte ich gern. Hier fließt ja
alle elf Jahre ein Jahrhunderthochwasser vorbei. Auf den Mercedes würde ich
auch verzichten, ich nehme dann lieber den BMW.
Arendt, Judith: Unschuldslamm
Ullstein 2014
Ruth Holländer ist zur Schöffin berufen worden und
wird bei einem Mordprozeß eingesetzt. Sie glaubt nicht an die Schuld des Kurden
Aras, der seine Schwester Derya aus religiösen Gründen umgebracht haben soll.
Nach gefühlten zwei Seiten weiß der Leser, wer der
wahre Mörder ist und daß das Buch mit dem Beginn einer Romanze enden wird. Wenn
man mal nicht nachdenken will: ein einfacher Krimi, einfach zu lesen.
Sylvester, Christine: Neue Meister, alte Sünden
Bild und Heimat, 2015
Ein sympathischer Dresden-Krimi, sogar unser
Stadtteil ist Schauplatz einer Szene.
Tjelle Kökkenmöddinger, ein zugewanderter Däne, ist
Doktor der Philosophie und fährt Taxi in Dresden. Er will nicht weiter als gut
essen, mit seinen Fahrgästen über Gott und die Welt plaudern und mit Jelena
zusammensein. Aber er gerät in ein Abenteuer mit toten Journalisten,
gefälschten Gemälden und einer Bande, die Botoxspritzen als Waffen benutzt.
Leider gibt es einige Ungereimtheiten:
Seit wann werden Gemälde von unschätzbarem Wert im
Taxi tranportiert? Dafür gibt es Firmen, die auf Kunsttransporte spezialisiert
sind.
Das Ende der Botoxbande ist unausgegoren.
Wer ist der Tote? Zumindest diese Frage sollte am
Ende eines Krimis geklärt sein.
Hinrichs, Annette: Die Fünfte Jahreszeit
Leda-Verlag, 2012
Nix Fasching oder Karneval. Ein Hamburg-Krimi, der
sich um eine Krimiautorin und ihre Krimis dreht.
Weitere Zutaten sind: eine junge Kommissarin, die
sich in den Fall “wie ein Terrier” verbeißt, eine verschwiegene Schuld und eine
gehörige Portion Rache. Spannend wird es auch, aber leider nicht bis zum
Schluß.
Am besten gefällt mir die Figur des Großvaters der
Kommissarin. Der alte Seebär hilft mit Thermoskannen voll Kaffee, alten
Beziehungen, neuem Laptop und gesundem Menschenverstand.
Batthyany, Sacha: UND WAS HAT DAS MIT MIR ZU TUN?
Ein Verbrechen im
März 1945
Die Geschichte
meiner Familie
Kiepenheuer & Witsch, 2016
Bestimmen alte Familienereignisse unser heutiges
Leben? Sollen wir dieses “Erbe” bewahren? Oder lieber vergraben? Sacha
Batthyany machte sich mehrere Jahre lang auf die Suche nach der wahren Geschichte
seiner Familie. Er war in ganz Europa und in Südamerika. Er fand erschütternde
Schicksale und überall uneingestandene und verdrängte Schuld. Für uns alle
stellt er sich die Frage: “Hättest Du Juden versteckt?” Und er beweist Mut,
indem er sie ehrlich beantwortet.
Ja, Herr Biller, das hat mit uns allen zu tun.
Halten wir uns an die Empfehlung von oben: Lesen
statt Putzen!
Eure Emme
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen