Offensichtlich, denn wir haben dies im Museum gefunden:
Emme, vielleicht schreibst Du weiter, wir begeben uns
doch ein bißchen auf Zeitreise in Deine Vergangenheit.
Na gut, Hase.
Liebe Leser,
was wolltet Ihr werden, wenn Ihr mal groß seid? Klar,
jeder Dresdner will im Laufe seiner Kindheit einmal Straßenbahnfahrer werden.
Auf meiner Wunschliste stand auch Kosmonaut(in). Aber dafür mußte man zur Armee
gehen, das ging gar nicht. Die Idee, als Archäologin alte Städte ausgraben zu
können, kam durch diverse Literatur.
Dann gab es 1977 die Ausstellung „Völker der Sowjetunion“ im Völkerkundemuseum
in Dresden. Daß dies die erste Ausstellung dieses Museums überhaupt war, erfuhr
ich erst am vergangenen Wochenende.
Damals wurde unsere Schulklasse
hingeschickt und wir erfuhren etwas über die Tschuktschen. Ein kleines Völkchen
im Norden Sibiriens, das gastfreundlich Ethnologen die Türen geöffnet hatte und
so überhaupt erforschbar wurde. Denn wenn man im ewigen Eis nicht zusammenhält,
kann man nicht überleben.
Damals kam ich auf die glorreiche Idee, Ethnologin zu
werden. Ich wollte durch die Welt reisen und immer Neues kennenlernen, und
spannend klang das Ganze auch.
Dann trieb mich die Leidenschaft zu einem Beruf, den
man nur wenige Jahre ausüben kann. So verzichtete ich auf Abitur und den
dazugehörenden Schnickschnack (Ist die Erziehung gut genug? Die Eltern
möglichst proletarischen Ursprungs? In der richtigen Partei? Oder prominent?
Will der künftige Oberschüler Pädagoge werden? Oder meldet er sich freiwillig
für eine Laufbahn in der NVA? etc.) Außerdem gab es kaum Studienplätze und wer
weiß, wohin mich mein treusorgender Staat geschickt hätte. So mußte die
Bundesrepublik Deutschland in den neunziger Jahren eine arbeitslose Ethnologin
weniger verkraften.
Natürlich blieb und bleibt das Interesse an
völkerkundlichen Themen. Zur Zeit sind die Sammlungen weltweit im Umbruch.
Einerseits existieren Rückgabeforderungen der Völker und Staaten, wenn zum
Beispiel durch eine Ausstellung bekannt wird, was in den Sammlungen existiert.
Andererseits verbergen Kuratoren ihre Ausstellungsstücke im Depot. Das führt
dann zu Rückgabeforderungen, denn was nicht gezeigt wird, wird nicht gebraucht.
Für die Museumsmacher heißt es schlußendlich: Wie man 's macht ist 's falsch. Das
vor allem die Völkerkundemuseen weltweit eine enorme konservatorische Leistung
vollbringen, ist eher nebensächlich. Und daß sie völkerverbindend arbeiten, in
dem sie Verständnis für andere Lebensweisen, Traditionen, Weltanschauungen und
Religionen wecken.
Das „Humboldt-Forum“ im alten-neuen Berliner Schloß
will da zukünftig völlig neue Wege gehen. Nur hat leider niemand eine
Vorstellung davon, wie die aussehen sollen.
Kommen wir wieder nach Dresden. Hier tickt die Uhr
anders- das ist doch mal eine spannende Untersuchungsidee für Ethnologen. Seit
x Jahren ist bekannt, daß das Japanische Palais restauriert werden soll. Der
Direktor ging in Rente. Und plötzlich- keiner konnte es vorher ahnen- stand das
Museum für Völkerkunde da: ohne Räume, ohne Leitung, mit vollen Depots und ohne
Konzepte, wie es weitergehen soll. Huch!
Es fand sich eine neue Direktorin für die Staatlichen
Ethnographischen Sammlungen, der jetzt drei Museen unterstehen (Museum für Völkerkunde
Dresden,GRASSI Museum Leipzig und Völkerkundemuseum in Herrnhut.) Jetzt soll Nanette Snoep mal bitte schnell was machen und
möglichst bis gestern sensationelle Ausstellungen in nicht vorhandenen Räumen
zeigen. Ich bin ja immer wieder überrascht, wie naiv die Entscheider in solchen
Dingen sind. Wer sind die überhaupt?
Frau Snoep (oder ihr Team?) kam auf die Idee der „Prologe“.
Jeden Monat gibt es eine Ausstellungseröffnung. Alles begann im Dezember mit
Kisten, die malerisch herumstehen.
Aus den Kisten erklingen Stimmen: Kichern,
Brummen oder Jammern. Einige Besucher fanden es gruselig, auf jeden Fall machen
die Geräusche Lust aufs Auspacken und Nachschauen, welche Schätze sich hier
wohl verbergen.
Andere Prologe widmen sich der ethnologischen Arbeit,
der Konservierung
und den Sammlern.
Ganz spannend ist die Lebensgeschichte von Hellmuth
Theumer (1894- 1983) aus Chemnitz. Der
Zahnarzt war Privatsammler religiöser asiatischer Kunstgegenstände. In seiner Freizeit
widmete er sich der Illusionszauberei. In seiner Jugend war er Mitglied im „Weltbund
der Illuminaten“. Von diesen wandte er sich ab und wurde Buddhist. Als Gegner
jeglichen Aberglaubens wirkte er als „Gerichtgutachter in Fällen von
Fernhypnose, Hellseherei und medialen Jenseitskontakten“. Nach seinem Tod wurde seine hochkarätige Sammlung wegen angeblicher Steuerschulden konfisziert. Ein hollywoodreifes
Leben!
Die neueste Installation fragt doch glatt mal nach,
wer eigentlich die Menschen sind, die auf unzähligen Fotografien festgehalten
sind.
Bernhard Struck sammelte Fotos
und Zeitungsartikel mit Portraits. Keiner weiß, warum. Was wollte er damit
dokumentieren? Wollte er wirklich die Überlegenheit der weißen Rasse beweisen?
Hier sage ich mal: eine Straßenbahnfahrt am Abend quer durch die Stadt beweist
das Gegenteil.
Ergänzt werden die „Prologe“ durch ein geheimnisvolles
Kabinett mit Skulpturen und Masken aus aller Welt.
Kunstvoll beleuchtet treten
sie aus dem Dunkel hervor und scheinen eher den Betrachter zu betrachten.
Das alles und demnächst mehr gibt es zu sehen im
Japanischen Palais, Eintritt frei.
Eure Emme
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