Mittwoch, 20. Februar 2019

Vergebene Möglichkeiten

Erbstück, Frankreich, nicht datiert


Wir waren im Theater. Besser gesagt im Anhaltischen Theater Dessau. Wir sind so weit gefahren, weil es eine Rarität zu sehen gab: "King Arthur" von Henry Purcell. Die Oper stammt aus dem Jahr 1691 und wird auch als Semi-Oper bezeichnet. Das war ein beliebtes Genre auf den Britischen Inseln bei dem die Hauptrollen  durch Schauspieler dargestellt werden. Die Musik, Gesang und Tanz sind zwar in die Handlung eingeflochten, könnten aber auch eigenständig existieren. Ein insgesamt großes Unterfangen für ein Theater, aber in Dessau sind ja alle Sparten vorhanden und Platz gibt es auch: Da können doch alle mal gemeinsame Sache machen.
Während der Vorstellung wurde Emme sehr, sehr neidisch. Es gibt in Dessau eine Bühne von 20x 20 Metern (immerhin sollte hier das zweite Bayreuth entstehen!), einen in allen Varianten absenkbaren Boden, eine Lichtanlage, von der man nur träumen kann, Wind- und Nebelmaschinen, eine Kostümschneiderei und alle erdenklichen Werkstätten, alle Schikanen sind da und können genutzt werden! Und was haben die Macher daraus gemacht? Am liebsten würden wir jetzt das böse Wort mit hinschreiben, das mit Sch... beginnt.
Der erste Akt strotz vor Langeweile. Gut, die Exposition dauert eben einen Moment. Aber die Schauspieler, die eine neudeutsche Ausbildung erhalten haben, nuscheln dermaßen, daß man nichts versteht, auch wenn sie ein Mikroport tragen. Merlin wird von einer Frau gespielt. Seltsam. Normalerweise steht Merlin in der europäischen Rezeption des Arthur-Stoffes für das männliche Prinzip. Vielleicht wollte der Dramaturg/ der Regisseur das mal ganz anders machen? Nichts genaues weiß man nicht.
Die Texte sind auch eigenartig. Auf jeden Fall gehören ein Zitat des Alten Dessauers und Flüche nicht zum Originaltext. Prädikat: ganz schön seltsam.
Nach einer halben Stunde gabs auch Musik, man sah die "bösen" Heiden bei einer Opferungsszene, wobei sich das Ballett lasziv im Ganzkörpertrikot bewegte. Die Kleidung sollte bestimmt an Deutschen Ausdruckstanz aus den dreißiger Jahren erinnern. Seltsam.
Dann gab es eine bunte Abfolge eigenartiger Szenen, die niemand verstand. Manchmal trugen ein Schauspieler und ein Sänger das gleiche Kostüm (Aha: Alle merken, sie spielen eine gemeinsame Rolle!), aber manchmal auch nicht. Warum einmal so und dann wieder anders, weiß keiner.
Es gab ausstattungstechnisch interessante Szenen im Nebelwald mit beeindruckenden Bildern, die stark an Dali erinnerten.
Dann sangen zwei mit Kapuzencapes verhüllte Frauen, daß sie nackte Seejungfrauen wären. Arthur glaubte ihnen diesen Mist und fand immerhin Excalibur.
Die "Frostarie" -eigentlich der Hit des gesamten Abends- wird mit mäßiger Qualität gesungen.

Emme, gab es da nicht diese altmodische Musikkassette mit Klaus Nomi in unserer Wohnung?
Stimmt, Hase. Die suche ich dann gleich mal raus.

Das Ballett bewegt sich den ganzen Abend lang weiterhin lasziv dahin, die Szene bei den Heiden war nur die erste. Immer, wenn Purcell Tanzmusik komponiert hat oder der Chor "Tanzt!" singt, müssen sich die Tänzer hinhocken oder Requisiten wegbringen oder abgehen. Sehr seltsam. Immerhin dürfen die Tänzer im Finale drei Schritte tanzen, cool wäre noch, wenn sie wüßten, wann ihr Einsatz ist.
Chor und Orchester steigerten sich im Laufe der Vorstellung und erbrachten gemeinsam mir ihrer Dirigentin Elisa Gogou die beste Leistung des Abends.
Und am Schluß steht(!) König Arthur auf seiner eigenen Hochzeit und kriegt nicht mal was zu trinken. Das ist dann oberseltsam. In seiner Not ruft Arthur: "Es lebe Britannien!". Und da zuckt das Publikum dann doch zusammen.
Alles in allem eine enttäuschende Vorstellung und angesichts der vergebenen Möglichkeiten ist Emme fassungslos.

Schade!
Euer Hase

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