Sonntag, 10. Februar 2019

Der Junge muß an die frische Luft


Roses/ Rosas 2015

Emme ist ja nicht so ein großer Hape-Kerkeling-Fan. Als sein Ruhm in den neunziger Jahren begann, mußte sie sich erst an das gewöhnen, was im westlicheren Teil der Republik als Humor bezeichnet wird. Mittlerweile hat sie verstanden, das es sich dabei nicht um ein Ost-West-Problem handelt, sondern um kulturelle Unterschiede. Woanders finden die Leute eben andere Dinge lustig. Das muß man auch nicht verstehen. Das ist halt so.
Hape Kerkelings Homor konnte sich jedenfalls in den neunziger Jahren und anfangs der 2000er in Deutschland niemand entziehen. Es sei denn, er hätte im Wald ohne Kontakt zur Außenwelt gelebt. Ob Fernsehen, Kino, Zeitung und Musikgeschäft- überall war Kerkeling präsent und wurde mit Preisen überhäuft.

Eine Aktion fand Emme allerdings herrlich. Hape Kerkeling trat als Königin der Niederlande auf. Und plötzlich katzbuckelten Menschen, die ohne Monarchie aufgewachsen waren, vor dieser falschen Königin, bis ihnen der Sabber aus den Mund lief. Diese Satire war so entlarvend und lustig, daß Hape Kerkeling bei Emme für immer und ewig ein Stein im Brett haben wird.
Gut fand Emme, daß sich Kerkeling in einer Lebenskrise aufgemacht hat, um den Jakobsweg nach Santiago de Compostela zu gehen. Schlecht: Er schrieb ein Buch darüber. Und löste damit, ähnlich wie Coelho in Brasilien einen Hype aus. Denn auf einmal trifft man in Spanien sehr, sehr junge krakeelende deutsche Pilger, die sich nicht benehmen können. Sie verwechseln Herbergen mit Hotels und Hospitaleros mit Personal. Sie wollen Spaß haben -gut, das wollen wir auch- aber nichts dafür tun. Und bringen den guten Ruf der deutschen Pilger (den gibts wirklich!) ins Wanken. Und im Ausland wurde Emme immer wieder gefragt: "Wer ist eigentlich dieser Mann? Der mit dem Buch?"
Hape Kerkelings zweites Buch "Der Junge muß an die frische Luft" beschreibt seine Herkunft, seine Kindheit im Ruhrpott, seine Familie und den Selbstmord seiner Mutter. Und Caroline Link machte einen tollen Film daraus. Ob in den siebziger Jahren wirklich alles so bunt war, weiß Emme nicht. Sie hat das alles nur in blassen Farben in Erinnerung. Jede Rolle ist hervorragend besetzt, große Gefühle sind spürbar, man kann lachen und weinen. Der Film ist auch eine Verbeugung vor allen Großeltern (und vor allem den Großmüttern) und ein Loblied auf eine Familie, die in Freud und Leid zusammenhält.
Julius Weckauf als Hans-Peter ist ein fantastischer Kinderdarsteller. Ein echter Glücksfall und wir hoffen, daß er in Ruhe seinen Weg gehen kann. Daß er nicht verheizt wird und er das tun kann, was ihm Spaß macht.
Am Ende des Fimes sieht man den echten Hape Kerkeling kurz eingeblendet. Er hat mächtig zugelegt. Und wir rufen ihm freundlich zu: "Junge, Du mußt mal an die frische Luft! Pack Dein Zeug und sei mal weg!"


Ab auf die Piste!

Euer Hase

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