Ab
und zu habe ich schon über sie geschrieben: Emmes Großeltern. Die
waren „fortschrittliche“ Leute, hatten ihr Häuschen mit
Hellerauer Möbeln und Stoffen á la Bauhaus eingerichtet, sie zogen
in ihrer Jugend durch die Lande, malten und sie trennten sich 1933
von ihren Lehrern, als diese zu nationalsozialistisch auftraten. Sie
wurden relativ spät Eltern (wie auch schon ihre Eltern) und das
setzt sich nun durch Generationen fort.
Natürlich
nahmen sie auch Einfluß auf die Literatur, die ihre Töchter zu
lesen bekamen. Richtig verboten waren „Nesthäkchen“-Romane und
alles von Karl May. Das war in den Augen der Großeltern
Schundliteratur. Deshalb las Emmes Mutter heimlich unter der
Bettdecke die Geschichten von Winnetou und Kara Ben Nemsi und träumte
von großen Abenteuern. (Wo auch immer sie die Batterien für die
Taschenlampe hernahm…)
Als
es nach der Wende Karl-May-Bücher einfach so und für jedermann zu
kaufen gab, erwarb Emmes Mutter eine Gesamtausgabe. Sie fuhr nach
Amerika und in den Orient. Und sie weiß, was eine Aleppo-Beule ist.
Sie war aber noch nicht im Land der Skipetaren. (Welches im
Allgemeinen unter dem Namen Albanien bekannt ist.) Jahrelang wich sie
diesem Reiseziel aus (Armut! Verbrecher! Albanische Mafia!
Gefährlich!). Seit kurzem entdecken die deutschen Reiseveranstalter
Albanien als schönes und sehr preiswertes Reiseland. Aber Emmes
Mutter ist älter geworden und stets war bei der Buchung einer Reise
angeschrieben: „Diese Reise ist nicht für Reisende mit
Mobilitätseinschränkungen geeignet.“ Der Frust war groß und Emme
entschied, auf eigene Faust nach Albanien zu reisen. Dann dauert
alles eben ein wenig länger. Dann können wir eben nicht alles
sehen.
Und
so packten wir unsere Sachen und flogen in nur zwei Stunden auf den
Balkan: Emme, Emmes Mutter, Herr Teddi und ich.
Und
was haben wir nicht alles gesehen: Berge, Berge und Berge,
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Albanische Alpen |
Meer
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Ksamil |
und
ein tolles Land im Wandel. Fleißige und gastfreundliche Menschen.
Sehr gut angezogene Frauen. Natürlich sind die Ehrlichen die Dummen,
die werden nirgends auf der Welt Millionäre. Es gibt überall WLAN.
Älteren Menschen gefallen auch die vielen Werkstätten, weil vieles
gebraucht gekauft und alles repariert wird. Es gab Werkstätten für
Bäder, für Küchen, für Autos, für Motoren, Schneidereien und
Kaffeeröstereien, Reparatureinrichtungen für Dunstabzüge, also für
alles, was man sich vorstellen kann.
Wir
haben hervorragend gegessen. Wir haben albanischen Wein getrunken.
Leider ist es schwierig, albanische Lebensmittel im Laden zu kaufen.
Das Angebot wird von italienischen Produkten und
Lebensmittel-Weltkonzernen beherrscht. Brot, Gemüse und Käse aus
Albanien kann man aber auf dem Markt oder in Spezialläden problemlos
für wenig Geld erwerben.
(In den 90er Jahren gab es hier auch kaum
noch Dinge aus heimischer Produktion. Das Westzeug war glibberig,
viel zu süß und geschmeckt hat es auch nicht. Das hat sich in
Ost-Deutschland zum Guten gewendet, das wird auch in Albanien so
sein.)
Frauen,
die auf der Suche nach sehr günstiger Designermode sind, werden in
den vielen Zweite-Hand-Kleiderläden fündig werden. Dort kann frau
vor allem Kleider erwerben, die italienische Frauen nicht mehr
tragen. Die Läden gibt es in jeder kleineren Stadt, ein bißchen
suchen muß man schon. Was aber die Freude umso größer macht.
Das
größte sichtbare Problem sind die wilden Müllhaufen. Das eigene
Grundstück wird gewienert und geputzt bis zum Umfallen – und der
Kehrricht über den Zaun gekippt. Aber wir denken, daß sich das bald
ändern wird. Beim Bäcker haben wir schon diesen Hinweis gefunden:
Und
der Verkäufer schwor, dies nicht aus Geiz zu tun, sondern damit die
Leute nicht alles achtlos wegwerfen. Leute, es wird!
Albanien
ist ein sicheres Reiseland. Nur Herr Teddi hatte zu leiden. Denn er
wurde in einer Herberge aus dem Zimmer entführt und später
wohlbehalten und grinsend in der Spielzeugkiste im Gemeinschaftsraum
aufgefunden. Deshalb gibt er jetzt gern mit seinen Reiseabenteuern
an.
Wer
also ehrlich ist und deshalb kein Millionär, der reise ins Land der
Skipetaren. Ihr könnt wandern und baden, Zeitreisen von der Antike
bis in die Moderne machen und erfahren, wie es ist, als Gast von Haus
zu Haus weitergereicht zu werden.
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Butrint |
Und
wie war die Reise mit der mobilitätseingeschränkten Mutter? Alles
dauerte tatsächlich viel länger. Aber wir bekamen von
Reisegruppenteilnehmern immer wieder zu hören: „Sie habens gut.
Sie haben Zeit!"
Nehmt
Euch Zeit!
Euer
Hase